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Interview mit Monique - Ist der Absturz vorprogrammiert?

Wann hast du zum ersten Mal Drogen/Alkohol konsumiert?

Crystal
Interview mit einer Abhängigen

 Das erste mal Alkohol getrunken habe ich mit ca.13 Jahren. Damals wollte ich zu den „Coolen“ in der Klasse bzw. Schule gehören. Jedes Wochenende war das Trinken auf dem Spiel- und Treffplatz vor der Schule angesagt. Ich wollte kein Außenseiter sein. Ich wurde in meiner damaligen Schulklasse von einem Mitschüler gemobbt und als „Schlampe“ bezeichnet. Das hat mir sehr zugesetzt. Somit habe ich mich in die 'coole Clique' begeben. Jedes Wochenende habe ich dann Wodka, Eierlikör, Sangria etc. getrunken. Auch gekifft habe ich das erste mal mit ca. 13/14 Jahren, allerdings empfand ich die Wirkung dieser Droge alles andere als angenehm. Irgendwann trank ich dann auch heimlich zu Hause alleine Alkohol und habe auch einmal alleine gekifft. Als ich 18 Jahre alt war, habe ich dann immer weniger getrunken, da sich eine Phobie vor dem Erbrechen ausgeprägt hat. Dadurch hatte ich Angst, mich zu sehr zu betrinken und mich dann möglicherweise übergeben zu müssen.

 

Crystal wurde sehr schnell zu meiner Hauptdroge. Zum ersten Mal konsumiert habe ich Crystal mit 22 Jahren. Damals bin ich noch jedes Wochenende feiern gegangen. Es wurde mir einfach immer langweilig so ganz ohne Suchtmittel zu „feiern“. Auf „C“ war alles schon nach dem ersten Mal gefühlt viel angenehmer. Aus einem Mal im Monat, wurde ganz schnell jedes Wochenende, es dauerte auch nicht lange, bis ich es täglich konsumierte. Somit war der Weg zum Absturz in meinem Leben vorprogrammiert.

Wann hast du gemerkt, dass Dein Konsum außer Kontrolle geraten ist?

 Alkohol war nicht meine Hauptdroge, aber die Einstiegsdroge. Außer Kontrolle geriet dies bereits kurz nachdem ich die ersten Male getrunken habe. Da Alkohol jedes Wochenende konsumiert wurde, war ich schnell bei Trinkmengen von ½ bis 1 ganze Flasche Wodka, Eierlikör, oder Wein.

Gekifft habe ich in den ganzen Jahren insgesamt nur 5 Mal, dies würde ich demnach nicht als Abhängigkeit bezeichnen.

Beim Konsum von Crystal, wurde aus gelegentlichem Konsum (1-2 Mal im Monat), ganz schnell wöchentlicher Konsum. Anfangs nur am Wochenende, kurze Zeit später dann täglich. Mein Umfeld hat mich diesbezüglich sehr beeinflusst, da ich nach und nach Leute aus der „Crystal – Szene“ kennenlernte. Gefühlt hat jeder konsumiert und wer am meisten konsumierte galt als „cool“ und damit auch als „Vorbild“.

 

Nach ca. 2 Jahren kam dann noch das Glücksspiel in der Spielothek hinzu. Anfangs spielte ich sehr selten, später verbrachte ich jeden Tag, von früh bis abends, mit dem Spielen. Ich vernachlässigte nach und nach mein Leben immer mehr. Um an Geld für Stoff zu kommen, verkaufte und verpfändete ich mein Hab und Gut. Meine Kamera, die mir so viel Wert war, mein Handy. Ich verkaufte alles mögliche, um wenigstes 5 Euro für die Spielothek zu haben, damit ich daraus mehr machen kann, um mir mehr Stoff zu holen. Allerdings gelang mir das so gut wie nie. Ich vernachlässigte und belog meine Familie und vor allem meine Mutter, die mir Alles bedeutet. In dieser Zeit begriff ich, dass das Leben (welches ich an diesem Punkt nicht einmal mehr als 'Leben' bezeichnen würde) immer mehr bergab ging.

Was war der ausschlaggebende Grund eine Therapie zu beginnen und welche Ängste/Gefühle hattest Du vorab?

Der ausschlaggebende Grund war mein „ABGEFUCKTES DASEIN“. Ich hatte nichts mehr! In meiner Wohnung wurde 2 Mal eingebrochen und diese komplett verwüstet. Mir wurde viel geklaut, auch viele persönliche Dinge, was mich heute noch sehr traurig macht. Beispielsweise meine Zeichnungen, in die ich viel Zeit investierte, meine Festplatte, auf der sich viele meiner Fotografien befand, alte Zeichnungen aus meiner Kindheit, Kleidung, Fotos von mir. Es wurden mir auch einige sehr, sehr persönlichen Sachen entnommen und veröffentlicht.

 

Ich habe die letzten Wochen vor der Therapie bei meiner Mama gewohnt. Sie hat mich dann nicht mehr nach Hause kommen lassen, da ich keine Anstalten machte, mein Leben zu ändern. Ich habe mich und mein Leben mehr und mehr vernachlässigt.

Ängste hatte ich vor der Therapie eigentlich keine. Was mir wirklich Sorgen bereitete, war der Gedanke, alle meine Kontakte abbrechen zu müssen. Der Gedanke daran, mein ganzes Leben ändern zu müssen, wie den Wohnort wechseln etc. Ich wusste einfach nicht mehr, wie das Leben wieder schön werden sollte, ohne Stoff. Ich wusste nicht, wie ich ohne Drogen glücklich werden soll.

Durch die vorangegangene dreiwöchige Entgiftung merkte ich, dass das Leben ohne Suchtmittel dennoch schön sein kann. Ich lernte, den kleinen Dingen wieder mehr Aufmerksamkeit zu schenken.

Wie haben sich deine Gefühle/ deine Einstellung im Laufe der Therapie gewandelt?

Ich habe schnell wieder Spaß an der „Alltagsroutine“ gefunden. Die feste Tagesstruktur hat mir schnell ein Gefühl von Sicherheit gegeben. Ich habe meine Freude an Spaziergängen und dem 'normalen' Tagesablauf entdeckt. Ich habe es genossen, mich mit vielen Menschen austauschen zu können und jeden Abend in gemütlicher Runden beisammen zu sitzen und Brett- oder Kartenspiele zu spielen. Das wäre in den Jahren zuvor undenkbar gewesen. Ich habe es genossen, geregelte Mahlzeiten zu haben, Einkaufen zu gehen und Geld verfügbar zu haben, um Shoppen zu gehen.

Meine Ängste vor dem Alleinsein und der Zukunft sind allmählich abgeklungen.Ich konnte es mehr und mehr genießen, für mich zu sein und brauchte diese Zeit auch.

 

Ich habe gelernt, dass ich alte Dinge und Gewohnheiten ablegen muss. Und ich habe gelernt Zusammenhänge zu erkennen, zu hinterfragen - wie beispielsweise, warum ich in manchen Situationen Suchtdruck haben könnte und was der Auslöser dafür sein könnte. Zudem habe ich gelernt, meine Gefühle wieder zuzulassen und mich mit bestimmten Dingen auseinanderzusetzen. Ich habe mir meine Last selbst genommen und somit auch die Gefahr eines Rückfalls verringert. Ich habe gelernt, das Leben wieder zu genießen und Freude an Dingen wie ein gutes Essen oder einen schönen Spaziergang zu haben.

Wie hat Dein Umfeld auf deine Abhängigkeit reagiert? Hat sich Dein Umfeld nach der Therapie geändert?

Meine Familie hat sich große Sorgen um mich gemacht und hatte Angst um mich. Zu Beginn hat mir meine Mama noch so manche Lüge abgekauft, als ich ihr erzählt habe, dass ich aufgehört habe zu konsumieren. Ich habe sie diesbezüglich oft belogen und ihr die „tollsten“ Geschichten erzählt, um an Geld zu kommen und mich von ihr mit einem Einkauf beliefern zu lassen. Se hat alles mitgemacht, obwohl sie tief im Inneren wusste, dass das alles nicht der Wahrheit entspricht und ich nicht clean war. Sie wollte es sicherlich nicht wahrhaben.

 

Heute bin ich selbst Mutter und kann viele Dinge viel, viel besser nachvollziehen. Welchen Ängsten und Sorgen sie ausgesetzt war und wie machtlos sie sich gefühlt haben muss.

Auch ich habe Angst, dass mein Baby später mal auf die schiefe Bahn gerät. Ich bin der Meinung, dass man ein Kind bestmöglich auf das Leben vorbereiten kann, mit sehr viel Liebe großziehen kann und von seinen ganz persönlichen Erfahrungen berichten kann, aber man kann es nie davor bewahren, welche Entscheidungen das eigene Kind letztendlich selbst trifft und welche Erfahrungen es machen möchte.

 

Meine damaligen Freunde, die selbst nicht konsumiert haben, haben sich alle von mir abgewendet.

Nach der Therapie hat sich in meiner Familie nicht viel geändert. Meine Mama und ich haben an einem Familienseminar teilgenommen. Ich habe weiterhin ein gutes Verhältnis zu ihr, aber leider kann ich beispielsweise über Suchtdruck nicht offen mit ihr sprechen, da sie gleich denkt, dass ich wieder rückfällig geworden bin. Ich kann das natürlich verstehen, aber in solchen Momenten brauche ich eigentlich einen Menschen, mit dem ich darüber reden kann.

Warum denkst Du, fällt es gerade Frauen schwer, nach Hilfe und Unterstützung zu bitten?

Ich denke, dass es Frauen schwer fällt, weil sie Angst haben, Schwäche zu zeigen. Frauen wurden, meiner Meinung nach, schon immer als das „schwächere Geschlecht“ bezeichnet. Leider! Dementsprechend fällt es ihnen schwer, um Unterstützung zu bitten.

Ich denke auch, dass Frauen ein höheres Abhängigkeitspotential besitzen. Alle Mädels, die ich kannte, haben sich mehr „abgeschossen“, als die Männer.

 

Ein weiteren Grund könnten traumatische Situationen sein, die Frauen durchleben mussten und nun Scham davor haben, sich preisgeben zu müssen. Frauen, die sich beispielsweise prostituiert haben, um an Stoff zu kommen, oder sexuelle Missbräuche, die tief im Unterbewusstsein schlummer und gar nicht erst an die Oberfläche gelangen sollen.

Was würdest Du Betroffenen und deren Angehörigen raten?

Wie das Umfeld auf Suchterkrankung reagiert
Co - Abhängigkeit

Ich denke, dass Co-Abhängigkeit einen großen Teil dazu beiträgt, einen Abhängigen in seiner Abhängigkeit ungewollt zu unterstützen. Ich denke, und das ist schließlich auch das Schwerste in solchen Situationen, dass Angehörige dem Süchtigen in Eigenverantwortung ziehen sollten, auch wenn dies oftmals schier unmöglich scheint. Manchmal muss man den Süchtigen „fallen lassen“, damit er begreift, was mit ihm passiert.

Wenn der Abhängige sich nicht aus freien Stücken zu einer Therapie entscheidet, dann wird diese auch nicht helfen. Ich selbst musste erst ganz unten ankommen, um selbst wieder den Weg aus der Sucht zu finden.

 

Dies war mir allerdings erst möglich, nachdem meine Mama aufgehört hat, mich zu unterstützen. Erst als ich mich für eine Therapie entschlossen habe, hat sie mich wieder zu Hause aufgenommen. Aber genau dieser Punkt muss erst erreicht werden, sonst ändert der Süchtige meiner Meinung nach nichts in seinem Verhalten.

Was hilft Dir heute dabei clean und trocken zu bleiben?

An erster Stelle die Liebe zu meinem Kind! Mein Baby ist jetzt 2 Monate alt. Das war und ist der Grund, weswegen ich clean bin! Mein Baby bedeutet mir alles im Leben. Mir hätte nichts besseres passieren können, wofür es sich lohnt, clean zu leben!

 

Wenn ich merke, dass ich Suchtdruck bekomme (welcher stark ist, aber nicht oft vorkommt), dann versuche ich, den Zusammenhang zu erkennen. Seien es Momente ,in denen ich mit dem Baby einfach überfordert bin, oder Tage, an denen ich mich ausgelaugt, müde und kraftlos fühle. Dies waren früher Momente, in denen ich konsumiert hätte. Heute bitte ich mein Umfeld um Hilfe und Unterstützung, damit ich wieder zur Ruhe komme und Entspannung finde.

Auch Momente der Langenweile erzeugen manchmal Suchtdruck. Jetzt suche ich mir Beschäftigung. In meinem jetzigen Leben, kommen diese Momente aber nicht mehr vor.

In Momenten der inneren Leere kann ich dank Therapie heute auch alleine sein und diese Momente auch für mich nutzen.

Im Februar beginne ich zusätzlich eine Psychotherapie, um weiterhin Dinge verarbeiten zu können.

photo creadits: Eneida Hoti, Manan Chhabra/ Unsplash

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