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Koffein & Zucker

Abhängigkeit und Ernährung
Zucker und Koffein

Ich habe ein Problem. Es ist zwar nicht so groß wie die Probleme, die ich durch meinen damaligen Alkohol -  bzw. Drogenkonsum hatte, aber nichtsdestotrotz ist es etwas, worüber ich mir immer und immer wieder Gedanken mache und ich für eine kleine Weile ein Gleichgewicht hineinbringen kann, aber sehr schnell wieder in alte (süchtige) Verhaltensweisen abdrifte. 

 

Natürlich könnte ich jetzt argumentieren von wegen Zucker und Koffein sind das "kleinere Übel" und ich könnte ein Auge zudrücken, aber nichtsdestotrotz beobachte ich süchtige bzw. ungesunde Verhaltensmuster an mir. Das ein erhöhtes "Craving" nach Süßigkeiten ein paar Tage nachdem ich aufgehört habe Alkohol zu trinken aufgetreten ist, ist nicht unüblich. Es hat mich sehr überrascht, aber nichtsdestotrotz ist es nicht verwunderlich. Was mich verwundert ist, dass es anhält.

 

Vor ein paar Monaten habe ich einen Blogpost verfasst, indem ich berichtet habe, dass ich nun auf Kaffee verzichte. In diesem Moment habe ich das auch getan und es hat eine Weile funktioniert. Nichtsdestotrotz passiert es schnell, dass, sobald Kaffee in meiner Nähe ist und ich gestresst bin oder ähnliches - ich sofort wieder zum Koffein greife. DAS ist kein Genuss, DAS ist eine Ersatzdroge. Ich beobachte dann Aussagen an mir wie beispielsweise: "Ich kann soeben (noch) nicht aufhören mit Kaffee trinken, weil ich zu gestresst bin." oder "Solange sich nichts an meinem Körper ändert und meine Blutwerte ok scheinen, kann ich doch ruhig eine Tafel Schokolade & Eiscreme (gaaaaanz viel Eiscreme) am Tag essen." Aber meine Wahrheit ist eigentlich, dass dies kein Genuss mehr ist (vielleicht auch noch nie war), sondern dass ich definitiv - auch wenn es nur unterbewusst ist und ich mir die ganze Sache schön reden möchte - ein "High" erzeugen möchte..
Ich mache mich abhängig von Zucker & Kaffee und rede mir ein, dass mein Leben ohne diese langweilig wäre. Wait a Minute!  Woher kenne ich diese Gedanken noch einmal? Genau, solche Gedanken und Ängste schossen mir durch den Kopf, als ich versucht habe Alkohol und Drogen Adieu zu sagen.

 

Zudem versuche ich mir einzureden, dass ich an und für sich doch super gesund lebe. Das stimmt schon. Ich ernähre mich größtenteils vegan, ich trinke Tee, ich meditiere regelmäßig und ich treibe Sport, aber kann all das meinen Zucker- und Kaffeekonsum abfangen? Immerhin flöße ich mir diese Substanzen dann trotzdem ein und gesund sind diese definitiv nicht. (Zumindest nicht in diesen Mengen)

Koffein

Kaffe und Abhängigkeit
Kaffee

Die Meinungen gehen auseinander, ob Kaffee nun "gesund" ist, oder nicht. Vielleicht stimmt auch hier wieder die Redewendung "die Dosis macht das Gift" aber wie in vielen der kleinen Dinge in meinem Leben ist meine Dosis sehr wohl giftig (Hand aufs Herz). Ich trinke nicht nur genüsslich eine kleine Tasse Kaffee am frühen Morgen, setze mich dabei ganz gemütlich hin und lese in einem Buch. (Das wäre die romantische Vorstellung, die ich dazu hätte.) 

 

Nein, ich stehe morgens auf und der erste Gang ist in die Küche: Kaffee in eine Tasse und Vanille -  (oder Schoko-) Sojamilch drauf. Falls kein Kaffe vorhanden sein sollte, dann laufe ich früh morgens um 07.00 Uhr auch zum nächsten Supermarkt und kaufe mir welchen. Ich werde innerlich nervös, wenn ich keinen Kaffee in meiner Nähe habe. Koffein erhöht den Stoffwechsel und den Blutdruck und wird über den Darm nahezu vollständig im Blut aufgenommen. Das Koffein wirkt bereits nach 30 Minuten im Körper und die Wirkung hält 4 Stunden an. Aber ich will mehr. Und das (fast) jeden Tag.
Kaffe übernimmt bei mir eine Funktion. Der tägliche Kick, den ich entschuldigen kann, genauso wie den Zucker. In (emotional) stressigen Situationen trinke ich noch viel, viel mehr davon. Manchmal sogar so viel, dass ich nicht mehr klar denken kann. Und ja, das geht tatsächlich, aber es ist alles andere als empfehlenswert.

 

Es fühlt sich komisch an darüber zu schreiben, weil ich eigentlich alles richtig machen möchte. Vielleicht will ich auch ein bestimmtes Bild von mir aufrecht erhalten - warum eigentlich? Ich bin zwar unabhängig von Alkohol- und Drogen, aber ich habe die Vermutung, dass ich abhängig von Kaffee & Zucker bin. Das nennt man dann klassische Suchtverlagerung, denn die Mengen, die ich zu mir nehme, kann ich nicht mehr unter "Genuss" verbuchen.

Bei einer Überdosierung an Koffein tritt übrigens folgendes auf:

  • innere Unruhe
  • Schlafstörungen
  • Magen-Darm-Beschwerden
  • Kopfschmerzen
  • Panik - Attacken
  • etc.

Diese treten zwar bei einer unfassbar großen Menge an Kaffee auf, nichtsdestotrotz bemerke ich ein paar dieser Nebenwirkung auch ab und an einmal an mir.
In ihrem Blogbeitrag "Why and how I quit Coffee" beschreibt Holly, wie sie dem Kaffee Adieu sagen konnte (um wenig später wieder damit anzufangen). Und ich stolpere über eine Frage, die ich mir stelle: Will ich es wirklich? Sie beschreibt, dass es nicht darum geht, etwas aus deinem Leben zu streichen, sondern eigentlich etwas durch diese Entscheidung zu gewinnen. Will ich Kaffee aus meinem Leben streichen und die Antwort beginnt mit "Eigentlich ... ." und Eigentlich ist keine Entscheidung.
Ich habe Angst, den Kick zu verlieren.

Zucker

Genauso wie Alkohol (der besteht nämlich zum größten Teil aus Zucker), erhöht auch Zucker den Serotonin und Dopaminspiegel in unserem Gehirn. Sprich, wenn wir auf Alkohol verzichten, sucht sich der Körper eine andere Droge, um einen ähnlichen (oder denselben Effekt) zu erzielen. Und jetzt wird mir klar, warum ich plötzlich zum absoluten Zucker - Junkie mutiert bin. Das, liebe Leute, nennt man klassische Suchtverlagerung. Ich meine, es ist nicht so, dass ich so viel Zucker zu mir nehmen, dass ich sukzessive an Gewicht zunehmen oder ähnliches. (Ich frage mich generell, wohin mein Körper den ganzen Zucker steckt) Aber fest steht - und dies wird mir immer klarer - das die Zuckermengen, die ich zu mir nehme, nicht gesund sind.

Zudem dachte ich, dass sich das irgendwann "von alleine" geben wird aber nach etwas mehr als zwei Jahren Nüchternheit kann ich sagen: das tut es nicht, wenn ich nicht etwas dagegen tue.

In einem Artikel über Nutrition & Sobriety schreibt Gastautorin Mary Vance, dass dies eine normale Reaktion sei. Abhängigkeit verschwindet ja bekanntlich nicht einfach nur, weil wir die Substanz weglassen, die uns Abhängig gemacht hat. Es geht vielmehr darum noch tiefer auf den Grund der Abhängigkeit zu gehen.

 

Ich bemerke, dass ich zwar keine Cravings nach Alkohol oder anderen Drogen habe, aber ich verspüre definitiv Cravings nach Zucker und/oder Koffein und beobachte süchtiges Verhalten an mir. Kaffee/Zucker auf nüchternen Magen, wenn ich gestresst bin, wenn ich müde bin, wenn ich angespannt bin. Wenn kein Kaffee oder Zucker im Haus sind werde ich latent nervös. Ich sage mir, dass ich darauf verzichten kann, wenn ich es aber versuche, dann habe ich ein bis zwei Tage später Ausreden, warum es gerade nicht passt und ich es soeben in meinem jetzigen Leben nicht umsetzen kann. Aber wie lange möchte ich noch Ausreden finden?

 

Natürlich könnte man nun argumentieren, dass Koffein und Zucker nicht ganz so schlimm sind wie Alkohol und für eine gewisse "Übergangsphase" mag das auch ok sein. Aber zum jetzigen Zeitpunkt finde ich mein Verhalten und meinen Drang danach nicht mehr ok, weil ich mich kenne und weil ich weiß, wann ich etwas genießen kann und wann ich etwas brauche, um irgendwie "klar zu kommen".

 

Ich könnte mich nun weiterhin hinter meinem doch noch sehr gesunden Lebensstil verstecken (und ja, viele Dinge mache ich wirklich gut und richtig), aber das mit dem Kaffee und Zucker nicht. Und es geht mir auch nicht darum, ein "Übermensch" oder ein "Buddha" zu werden, oder zu sein (trust me, davon bin ich auch weit entfernt) aber das, was ich jeden Tag in mich hinein schaufle, ist tatsächlich nicht gesund.

 

Ich kenne mich tatsächlich mit dieser ganzen Ernährungsgeschichte nicht ganz so gut aus, aber ich denke es wird Zeit, dass ich mich mehr damit beschäftige um zu sehen, was mein Körper wirklich braucht - was ich wirklich brauche - und warum ich crave und der Meinung bin, dass nur Zucker und Koffein mir in diesem Moment helfen können. Mehr Meditation? Mehr Yoga? Mehr Grünzeug? Wir werden sehen. Fakt ist, ich möchte etwas ändern, weil ich diesen Dinge jetzt nun schon eine ganze Weile an mir beobachte. Und glaubt mir, wir reden hier nicht von zwei bis drei Kugeln Eis oder so. Wir reden hier von einer ganzen Packung Eiscreme mit Vanillesoße, eine komplette Packung Hallorenkugeln, eine Tafel Schokolade, 3 Tassen Kaffe an einem Tag und da ist meine Hauptmahlzeit noch nicht einmal mit eingerechnet. Und natürlich könnte man jetzt sagen: "Sei doch froh, dein Körper verstoffwechselt sehr schnell und du bist eine der Glücklichen, die essen können, was sie möchte" Aber Fakt ist auch, dass vieles von dem nicht gesund ist. Und jetzt, wo ich es Schwarz auf Weiß auf dem Bildschirm geschrieben sehe, wird es mir umso deutlicher. Ich möchte etwas ändern und ich möchte auch da lernen, mehr auf mich zu achten.

"trust the process"

Vielleicht brauchte es die Zeit. Vielleicht brauchte es den "Übergang". Vielleicht brauche ich ganz persönlich das Nach und Nach und nicht gleich Alles auf einmal - das hätte ich nämlich nicht gekonnt. Ich hätte nicht alles auf einmal aufgeben können. Ich hätte nicht können dem Alkohol, den Drogen, den Zigaretten (die ich nun in den selben Topf werfe), dem Süßkram, dem Koffein, den Pommes, den fettigen Soßen - ich hätte dem nicht können von jetzt auch gleich Adieu sagen, sondern ich brauchte nach und nach die Erkenntnis und das Wissen. Ich musste von Einem ins Nächste Rutschen und mich mehr und mehr für mich selbst entscheiden. Ich erkenne (noch) keine Folgen von meinen Süßigkeitenflashes, oder meinen Koffeinschocks (ok, ich habe manchmal Bauchschmerzen) aber mir wird immer mehr bewusst dass so, wie ich diese Dinge verzehre, ich nicht mit sondern gegen mich arbeite und versuche Emotionen zu löschen, oder erträglicher zu machen. #facts

Und nun?

Ich ahne, das wird Entzug Nummer 4. (1. Entzug: Alkohol und Drogen; 2. Entzug: Alkohol, 3. Entzug: Nikotin). Immerhin ist es nicht so, dass ich bei Null anfange. Ich weiß zumindest schon einmal, was auf mich zukommen wird und tatsächlich freue ich mich irgendwie darauf auch frei von Zucker und Koffein zu sein. Ich freue mich darauf, mich mit dem Thema Ernährung und Abhängigkeit auseinander zu setzen (das war bei meinem 1. Entzug noch anders, da habe ich mich auf gar nichts gefreut).

 

Ein neuer Weg, ein intensiverer Prozess. Ich werde euch auf alle Fälle berichten, wie es mir geht und was für Erkenntnisse ich gewinnen werde. Let the Party begin!

ressources:

brain - effect

utopia

https://www.hipsobriety.com/home/2015/2/8/why-and-how-i-quit-coffee

https://www.hipsobriety.com/home/2015/4/22/nutrition-addiction-recovery

https://www.thetemper.com/foods-strengthen-your-recovery/

 

photo credits:  Amy Shamblen; Ohmky; Brooke Lark // unsplash

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Kommentare: 1
  • #1

    Carsten (Sonntag, 02 Februar 2020 21:41)

    Liebe Vlada,

    interessanter Aspekt den Du da ansprichst. Ich bin seit Juni sober und mein Kaffeekonsum hat sich verdoppelt. Zucker ist komischerweise keine Versuchung, Limos trinke ich mit Aspartan. Aber Kaffee - ja, da habe ich immer einen Vorrat, ja, da bin ich sogar eine Umweltsau (Kapseln). Zum Glück ist meine Ergotherapeutin auch Ernährungsberaterin, da hab ich eine tolle Ansprechpartnerin. Weil auch mir geht meine gefühlte 12te Tasse Kaffee die ich grad ausgetrunken habe auf den Keks.

    Liebe Grüße
    Carsten